11.10.2022_Simon Below Quartett

Fabian Dudek (Alt-, Sopransaxophon)
Simon Below (Piano, Komposition)
Yannik Tiemann (Kontrabass)
Jan Philipp (Schlagzeug)

Die vier jungen Musiker des Simon Below Quartetts studierten Jazz an der Hochschule für Musik Köln. Ihr Zusammenspiel ist mal extrovertiert energetisch – mal melancholisch minimalistisch! Simon Belows Kompositionen lassen eine hohe Aktionsfreiheit zu. Im März 2017 gewann das Quartett ein Stipendium der Werner Richard – Dr. Carl Dörken – Stiftung. Ihre Debut-CD, welche sie im Loft in  Köln aufgenommen haben, ist bereits im Kasten (Release: Mai 2018 bei „Double Moon Records Jazz thing Next Generation“). Außerdem gewann die Band im August 2018 den international-ausgeschriebenen Avignon-Jazzpreis („Tremplin Jazz D’Avignon“). Der Preis war eine drei-tägige Studio-Produktion im wunderbaren & renommierten „La Buissonne“-Studio. Im August 2019 – genau ein Jahr nach dem letzten Besuch in Avignon – nahmen die vier Musiker also das zweite Album der Band auf. Wie auch beim ersten Album hört man ausschließlich Kompositionen von dem Namensgeber der Band. „Elements of Space“ erschien am 18. September 2020 unter dem renommierten Label „Traumton“. 2020 erhielt die Band eine Förderung durch die „Initiative Musik“.

Stilistisch bewegt sich das Quartett im Modern Creative mit Einflüssen aus dem Im- und Expressionismus. Offen gehaltene Kompositionen des Namensgebers der Band garantieren Hochspannung sowohl beim Publikum als auch immer wieder aufs Neue bei den Musikern selbst. „Nicht alles von A bis Z in einer Komposition festzuhalten, ist für den Sound der Band elementar. Prozesse der Improvisation und Kommunikation sollen nicht durch zu viele Vorgaben gestört werden.“ So kann es durchaus passieren, dass phasenweise freie Improvisationen zustande kommen. Teile des Themas können an verschiedenen Orten des Takes aufkommen; auch Duo-Passagen sind jederzeit denkbar. Im Fokus steht, spontan zu interagieren und spannende Musik zu kreieren.

NORBERT KRAMPF (FAZ), Pressemitteilung für das aktuelle Album “ELEMENTS OF SPACE” (2020):

Schon das 2018 erschienene Debütalbum des Simon Below Quartett, Wailing Wind’s Story, ließ viele aufmerken, ebenso wie die folgenden Konzerte. Thomas Mau lobte im WDR3 „das enorme Niveau ihrer Interaktionen“, Norbert Krampf hob in der FAZ die „Achterbahn ähnliche Dynamik und unerwartete Wendungen“ eines Auftritts hervor und resümierte: „Belows offene, variable Kompositionen lassen Raum für individuelle Gestaltung, den die Band mal bemerkenswert abgeklärt, mal mit juveniler Spielfreude ausfüllt.“

Im August 2018 trat das Simon Below Quartett beim internationalen Jazzfestival Avignon auf und gewann dort den Grand Prix du Jury: drei Aufnahmetage im berühmten La Buissonne Studio im südfranzösischen Pernes les Fontaines. Hier wurden bereits unzählige ECM-Produktionen eingespielt (z.B. von Tigran Hamasyan, Florian Weber, Nik Bärtsch, Kristjan Randalu), ebenso solche von Klaviergroßmeistern wie Joachim Kühn, Brad Mehldau, Ahmad Jamal und Carla Bley. Neben den Studiotagen im Sommer 2019 umfasste die Auszeichnung einen erneuten Festival- Auftritt auf der dortigen Hauptbühne, dem begeisterte Artikel in französischen Jazzmedien folgten.

Elements Of Space präsentiert nun die Aufnahmen aus La Buissonne. Es liegt sicher nicht nur am herausragenden Klang und am Geist des Studios, dass die nuancierte Musik des Albums mitunter an Produktionen aus dem Hause ECM erinnert. „Kammerjazz mit Push“ nennt Simon Below augenzwinkernd den Stil seiner dynamischen Band, die sich souverän zwischen nuancierten, lyrischen und zupackenden Passagen bewegt. Nicht selten passieren diese Wechsel schon innerhalb eines Stückes, wie der Aufmacher Wasserschwimmer eindrucksvoll zeigt. Belows Kompositionen sind bemerkenswert ausgereift und vielschichtig, was sicher auch seinen unterschiedlichen Inspirationsquellen zu verdanken ist. Sie umfassen Jazz-Klassiker (Bill Evans, Miles Davis, Herbie Hancock, John Coltrane) und zeitgenössische Künstler*innen (Sylvie Courvoisier, Tyshawn Sorey), darüber hinaus Bela Bartók (u.a. wegen dessen für die damalige Zeit innovativen Überlagerungen von zwei unterschiedlichen Harmonien) und Frédéric Mompou.

Verglichen mit dem Debüt spielen Belows detailscharfe Kompositionen auf Elements Of Space eine prägnantere Rolle, trotzdem lässt er seinen Bandpartnern bei Umsetzung der Stücke weiterhin Raum für eigene Ideen. „Die Kompositionen enthalten Aufhänger, die den Improvisationen gewisse Formen geben“, erklärt Below. „Im modalen Hymn To The Stars beispielsweise bleibt die Melodie stets präsent, einzelne Musiker können sie als Sprungbrett nutzen und unterschiedliche Formteile spielen.“ Das gravitätische Isonoe ist ebenfalls modal und offen angelegt, Raindrops und Sandstone hingegen setzen mehr auf feste Formen – mit gewitzten strukturellen Brüchen, etwa wenn in Sandstone mehrfach das Tempo wechselt. „Wichtig ist, auf Risiko zu gehen, sich nicht zu sehr an die Regeln zu halten, sondern Mut zu haben, auszubrechen“, sagt Simon Below, „wohl niemand möchte ein Album, auf dem alle ganz vorsichtig agieren. Dazu gehört auch, erweiterte Spieltechniken einzusetzen – und dass mich Fabian immer wieder herausfordert, energetisch zu spielen.“

Tatsächlich bilden das eher subtile als auftrumpfende Naturell des Pianisten und der entschlossene, bisweilen geradezu aufbrausende Gestus des Saxophonisten immer wieder interessante Spannungsfelder. Während Below „auch noch distinguiert und relativ introvertiert klingt, wenn er schnellere Akkordfolgen ins Dissonante driften lässt“ (FAZ), kontert Dudek mit markantem, zwischen warmen Timbre und rauen Modulationen changierendem Ton. Bereits 2016 erhielt er das hoch dotierte Jazzstipendium der Stadt Frankfurt, 2017 wurde er als Solist beim „Jungen Deutschen Jazzpreis Osnabrück“ ausgezeichnet. „Mit seiner energiegeladenen, häufig ekstatischen Ausdruckskraft ist Fabian der expressivste der Quartetts – und wir wissen damit umzugehen“, lacht Below.

Dass sich die 2016 gegründete Band perfekt versteht, lassen die vorliegenden, in nur zwei Tagen entstandenen Aufnahmen klar erkennen. Sechs der acht Stücke fanden sich schon zuvor im Live- Repertoire, das besagte Hymn To The Stars wurde ebenso wie John Taylors Windfall spontan eingespielt. Von Hymn gibt es genau die zwei Takes, die beide auf dem Album zu hören sind; nur wenige Titel wurden öfter, keiner mehr als vier Mal aufgenommen. „Die Atmosphäre im Studio ist wunderbar, den Spirit des Ortes haben wir automatisch aufgesogen. Unwillkürlich wurde alles noch intimer, sind wir noch aufmerksamer miteinander umgegangen.“

Am Klavier begann Below (*6.7.1995) in jungen Jahren mit der klassischen Schule, doch schon als Teenager bevorzugte er – beeindruckt u.a. von Keith Jarretts Solo-Werken – Jazz und Improvisationen. Glücklicherweise wurde er dabei von seinem damaligen Lehrer in Xanten gefördert. Dreimal gewann Below den 1. Preis bei Jugend Jazzt NRW (2009, ’12, ’14), 2017 erhielt er den Steinway Förderpreis NRW. Im folgenden Jahr wurde er Mitglied im Förderverein Live Music Now. An der Hochschule für Musik und Tanz in Köln lernte Below seine zukünftigen Bandpartner kennen, schon kurz nach der Gründung erhielt das Quartett ein Stipendium der Werner Richard – Dr. Carl Dörken Stiftung. „Ursprünglich haben wir uns bei Jamsessions angefreundet, dann habe ich die Sache in die Hand genommen und wurde zum Bandleader“, grinst Below. Wie er sind auch der agile Schlagzeuger Jan Philipp und Fabian Dudek Mitte Zwanzig, Bassist Yannik Tiemann ist ihnen um vier bis fünf Jahre voraus. Alle zählen zur viel beachteten nächsten Generation des deutschen Jazz und verfügen über individuelle Qualitäten. „Jan kann sich sehr fein einfühlen, unterstützt die Musik, weil er immer die Gesamtdramaturgie im Blick hat. Auch in Rubato-Passagen weiß er klangvolle Akzente zu setzen“, freut sich Below. „Und Yannik ist als Verbindung immens wichtig, weil er dafür sorgt, dass meine Harmonien gut klingen. Zudem stellt er geschmackvoll Bezüge zu meinen Kompositionen her und sorgt für Formbewusstsein in der Band.“

Der Albumtitel Elements Of Space sowie die Namen einiger Stücke verweisen auf Simon Belows Interesse an Astrophysik. „Bilder aus dem All berühren mich sehr. Das Universum scheint grenzenlos und geht auch in seiner Zusammensetzung über irdische Vorstellungen hinaus. Es gibt in der Astrophysik unentdeckte Dinge, die man sich derzeit auf bestimmte Art vorstellt, die aber letztlich vielleicht doch ganz anders aussehen. Der Zauber des Unvorhersehbaren, des Überraschungsmoments, spielt für mich auch in der Musik eine entscheidende Rolle.“

Simon Belows Kompositionen lösen traditionelle Formen auf, lassen „klassische“ Abläufe (Thema-Improvisation-Thema) hinter sich und zeigen individuelles Profil. Das intuitive Einverständnis innerhalb der Band befördert langsam sich aufbauende Steigerungen und jähe Wechsel von Transparenz und Verdichtung. So entwickelt das Simon Below Quartett eindrücklichen Gestaltungswillen, der einher geht mit einer lebendigen, dem Publikum zugewandten Spielhaltung. Zeitgemäßer, leidenschaftlicher Jazz von jungen, charakterstarken Musikern.

www.simonbelow.com/quartett

Foto © Kilian Amrehn

Fotos @ Robert Fischer